Geschichte Aktuell – Die Kolonialzeit

Die Kolonialgeschichte der Insel Hawseo

Die kleine Karibikinsel Hawseo, heute bekannt für ihre abgeschiedenen Strände und dichte Mangrovenwälder, blickt auf eine bewegte Kolonialgeschichte zurück. Trotz ihrer geringen Größe war Hawseo aufgrund ihrer strategischen Lage südöstlich von Saint Lucia und nordöstlich von Saint Vincent jahrhundertelang ein umkämpfter Stützpunkt in der Karibik.

Frühe spanische Besiedlung (1498–1651)

Die Insel wurde erstmals 1498 von Christoph Kolumbus auf seiner dritten Reise gesichtet und kurzzeitig als „La Isla Hueca“ („die hohle Insel“) bezeichnet – wohl wegen der zahlreichen Höhlen entlang ihrer zerklüfteten Küstenlinie. Die Spanier errichteten Anfang des 16. Jahrhunderts erste kleinere Außenposten, primär zur Lagerung von Trinkwasser und als Zwischenstopp für Schiffe auf dem Weg nach Südamerika. Eine dauerhafte Besiedlung begann ab 1562, als Hawseo als Nebenkolonie der spanischen Verwaltung auf Puerto Rico zugeordnet wurde.

Hawseo blieb fast ein Jahrhundert lang unter spanischer Kontrolle, obwohl die Insel kaum wirtschaftliche Bedeutung hatte. Dennoch diente sie in dieser Zeit als Rückzugsort für Missionare, Piraten und abtrünnige Seeleute. Noch heute sind Ruinen eines spanischen Forts, El Castillo del Pelícano, auf einer Klippe über dem heutigen Port Pelagia erhalten.

Holländische Zwischenherrschaft (1651–1673)

Im Zuge der wachsenden Konkurrenz in der Karibik nahmen die Niederländer 1651 Hawseo kampflos ein. Sie errichteten eine kleine Handelsstation der Westindischen Kompanie, von der aus Schmuggel mit benachbarten französischen und englischen Inseln betrieben wurde. Die holländische Präsenz war jedoch schwach; es kam häufig zu Aufständen unter afrokaribischen Arbeitern und maroonierten Sklaven.

Französische Periode (1673–1712)

1673 eroberten die Franzosen die Insel von den Niederländern und gliederten sie in die Verwaltung von Martinique ein. In dieser Zeit wurde erstmals Zuckerrohr auf Hawseo eingeführt, allerdings nie in großem Stil, da das Gelände für Plantagenwirtschaft nur bedingt geeignet war. Die französische Kolonialzeit war geprägt von Spannungen mit den wenigen noch ansässigen spanischen Familien sowie den zunehmend einflussreichen freien Schwarzen Siedlern, die teils aus Saint-Domingue (dem heutigen Haiti) stammten.

Britische Kontrolle (1712–1834)

Im Zuge des Spanischen Erbfolgekriegs ging Hawseo 1712 in den Besitz der Briten über. Diese befestigten die Insel stärker, bauten den Hafen von Port Pelagia aus und machten Hawseo zu einem Zwischenhafen für britische Schiffe zwischen Barbados und den Windward Islands. Die Insel war während des gesamten 18. Jahrhunderts britisch, bis sie 1834 im Zuge der allgemeinen Entkolonialisierung der britischen Karibik offiziell zum Kronbesitz erklärt wurde. In diesem Jahr wurde auch auf Hawseo die Sklaverei abgeschafft.

Spanische Rückforderung und spätere Unabhängigkeit

Kurioserweise beanspruchte Spanien in den späten 1850er Jahren noch einmal Besitzrechte an Hawseo – allerdings erfolglos. Ein diplomatischer Streit mit Großbritannien wurde 1861 beigelegt, als Spanien seine Ansprüche auf die Insel endgültig aufgab. Hawseo wurde 1973 gemeinsam mit mehreren anderen Inseln im Umkreis in einen halbautonomen Verband innerhalb der Ostkaribischen Staaten eingegliedert und erhielt 1992 den Status eines assoziierten Freistaats mit eigener Regierung, jedoch britischer Außenvertretung.